Die AG Kracht führt bereits seit mehreren Jahren in Kooperation mit Gruppen an der JLU und in Marburg tiefe molekulare Untersuchungen in mit Corona und Influenza Viren infizierten Modelzelllinien durch. Ziel dieser Studien ist es, ein vertieftes Verständnis von intrazellulären Signal- und Genexpressionsprozessen, welche einer RNA Virus Infektion zugrunde liegen, zu erreichen. Langfristig sollen so Schlüsselmoleküle in der Wirtszelle identifiziert werden, welche entweder die Virusreplikation hemmen, und/oder die Wirtszelle besser vor den negativen Folgen der strukturellen und funktionellen Umbauprozesse während einer Infektion schützen und die daher als geeignete Zielstrukturen für pharmakologische Interventionen in Frage kommen. Methodisch kommen hierfür alle modernen Verfahren der genom- und proteomweiten Analysemethoden wie ChIP-seq, ATAC-seq, RNA-seq und Massenspektrometrie zur Anwendung. Die Arbeitsgruppe verfügt zusätzlich über umfangreiche Erfahrungen, um die z.T. sehr komplexen hochdichten Datensätze integrativ bioinformatisch auszuwerten, so dass aus den Ergebnissen neue Signalnetzwerke und therapeutische Zielstrukturen postuliert werden, die dann wiederum experimentell validiert werden können.
In Zusammenarbeit mit der AG Herold sollen mit Coronaviren (SARS-CoV-2, MERS-CoV und HCoV-229E) infizierte precision cut lung slices (PCLS) der menschlichen Lunge vergleichend untersucht werden. Dieses beinhaltet zunächst die Optimierung der Infektionen von PCLS gefolgt von (Einzelzell) RNA-seq bzw. massenspektrometrischen Analysen aus kleinsten Probenmengen (inklusive einzelner Zellen). PCLS stellen ein nah an der menschlichen Pathologie angesiedeltes Modellsystem der CoV Infektion dar und ermöglichen, das Zusammenspiel verschiedener Zelltypen der Lunge und den Effekt antiviraler Eingriffe molekular zu untersuchen in einem state of the artpräklinischen System zu validieren. Zusätzlich ist geplant, Immunzellen von COVID-Patienten aus Proben der bronchoalveolären Lavage (BAL) ex vivo zu untersuchen und die Datensätze bioinformatisch zu integrieren. Hierdurch könnte die Zeitspanne bis zu Austestung von geeigneten neuen Substanzen in z.B. Phase I /II Studien verringert werden, bzw. rasch Informationen über die mögliche Eignung von bereits für andere Indikationen zugelassenen Wirkstoffen in hochvaliden humanen Modellen gewonnen werden.
Ein zellulärer Angriffspunkt bei CoV Infektionen ist das Cyclophilin A. Dieses Wirtsprotein interagiert mit dem Nicht-Strukturprotein von CoVs und vermittelt über einen bisher unbekannten Mechanismus die virale Replikation – erste Daten zeigen, dass ggf. eine Proteinkinase, JNK, beteiligt ist. Cyclosporin A (CsA), ein Medikament das für die systemische Immunsuppression (T-Zell-Suppression) beim Menschen zugelassen ist, ist ein Inhibitor der Cyclophilin A-Isomerasefunktion. Trotz seiner oben beschriebenen immunsupprimierenden Funktion induziert es in primären Bronchial- und Lungenepithelzellen eine direkt antivirale Immunantwort, vermittelt über IRF-1 Induktion und Freisetzung von Interferon lambda. Sowohl in primären pulmonalen Epithelzellen, als auch in ex vivo infiziertem humanem Lungengewebe und in Mäusen in vivo führte die Applikation von CsA über die oben beschriebenen Mechanismen zu einer signifikanten Inhibition der Replikation von MERS-CoV und SARS-CoV-2 inklusive verschiedener variants of concern (VOCs alpha, beta und gamma). Eine klinische Phase IIa zur Prüfung der Effektivität inhalativ verabreichten CsA bei Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion soll sich anschließen.