Neuer Omikron-Subtyp: Wie beeinflusst er die Pandemie?

Arbeit im Labor am Institut für med. Virologie der Uni Frankfurt

Ein leicht verändertes Omikron BA.2 ist aufgetaucht. Das Team um Professorin Sandra Ciesek forscht daran, wie ansteckend die neue Variante ist und wie wirksam die vorhandenen Medikamente sind.

Die Forscherinnen und Forscher im Pandemienetzwerk Hessen begleiten in einigen Projekten die neuesten Entwicklungen der Corona-Pandemie. So zeichnet sich Mitte Februar 2022, auf dem Höhepunkt der 4. Welle (der Omikron-Welle), eine erneute Veränderung im Infektionsgeschehen ab. Neben dem Omikron-Subtyp BA.1 verbreitet sich rasch der Subtyp BA.2. Was bedeutet das für Zahl der Infizierten in Deutschland? Und wie krank macht diese neue Version einer Sars-CoV-2-Variante, die selbst noch nicht bis ins letzte Detail erforscht ist?

Das Team um Professorin Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt beschäftigt sich mit diesen Fragen, seit die ersten Berichte über BA.2. auftauchten. Sie beobachten die Daten der forschenden Kolleginnen und Kollegen aus Ländern, in denen der Omikron-Subtyp BA.2 bereits weiterverbreitet ist – etwa in Großbritannien und Dänemark. Und sie gleichen diese Erkenntnisse routinemäßig mit der Lage in Deutschland ab, um die nächsten Arbeitsschritte zu planen.

Berichte direkt aus dem Labor

Im Podcast „Coronavirus-Update“ von NDR-Info beschreibt die Virologin Sandra Ciesek am 15.2. ihre aktuelle Arbeit zu den Varianten des Coronavirus. Seit September 2020 und bis Ende März 2022 berichtet sie in diesem Format regelmäßig im Wechsel mit dem Berliner Virologen Professor Christian Drosten von der Charité quasi aus dem Labor. Dabei ordnet sie das Corona-Geschehen stets auch aus wissenschaftlicher Sicht für Interessierte ein.

Wie entwickelt sich die Omikron-Welle?

Die Politik ist Mitte Februar gerade dabei, die Corona-Maßnahmen stufenweise zu reduzieren, da stellt sich in der Wissenschaft die Frage, ob die zeitlichen Vorhersagen für das Abklingen der Omikron-Welle angepasst werden müssen. Ein neuer Subtyp der Coronavirus-Variante Omikron wirft viele Fragen auf, welche die Prognosen beeinflussen. Eine davon: Wird BA.2 den bislang vorherrschenden Subtyp BA.1 verdrängen – und wenn ja, wie schnell?

Sandra Ciesek trifft im Podcast eine Einschätzung: Bereits Mitte März könnte das BA.2-Omikron-Coronavirus in Deutschland vorherrschend sein. Als Begründung verweist sie unter anderem auf zwei Eigenschaften dieses Subtyps. Die Erste: Die Inkubationszeit – die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit – ist bei BA.2 noch kürzer als bei BA.1. Als Folge sind infizierte Personen auch früher ansteckend, so dass sich die Infektion schneller von Mensch zu Mensch weiter übertragen kann. Die zweite: BA.2 ist insgesamt ansteckender als der noch vorherrschende Subtyp BA.1. Man infiziert sich also leichter.

Cieseks Schlussfolgerung: Die 4. Welle könnte länger auf einem hohen Niveau anhalten als ursprünglich vorhergesagt. Eventuell könnten die Infektionszahlen sogar noch einmal steigen. Was am Ende eintrifft, hängt, so Ciesek, von den Lockerungen der Politik ab, aber auch von der Vorsicht, die jeder einzelne noch walten lässt.

Wie gut schützen Corona-Impfungen vor BA.2?

Mitten in der 4. Corona-Welle fragen sich viele Menschen auch, was es für sie persönlich bedeutet, wenn sich ein neuer Subtyp verbreitet. Etwa: Bin ich vor schweren Verläufen mit BA.2 durch eine Impfung ähnlich gut geschützt wie aktuell bei BA.1? Oder: Kann ich mich gleich wieder mit Corona infizieren, obwohl ich gerade erst, trotz Impfung, eine Covid-19-Erkrankung mit dem „alten“ Omikron überstanden habe? Hierzu berichtet Sandra Ciesek im Podcast von den neusten Forschungsergebnissen ihrer Arbeitsgruppe. Sie sind so frisch, dass sie noch nicht in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht sind. Zusammen mit den aktuellen Erkenntnissen anderer internationaler Arbeitsgruppen deuten sie jedoch in eine Richtung: „Es sind gute Nachrichten“, sagt Ciesek.

„Ist jemand von Omikron genesen, ist es relativ unwahrscheinlich, direkt danach eine BA.2-Infektion zu bekommen“

Demnach wird BA.2. vom Immunsystem ähnlich stark erkannt und abgewehrt wie BA.1 – sofern die Abwehr zuvor bereits ausreichend Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Virus hatte. „Ist jemand von Omikron genesen“, sagt Ciesek, „ist es relativ unwahrscheinlich, direkt danach eine BA.2-Infektion zu bekommen. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, beispielsweise wenn jemand einer extrem hohen Virendosis ausgesetzt ist oder wegen einer Vorerkrankung keine so gute Immunantwort hat – aber es ist eher unwahrscheinlich.“

Warum ist es wichtig, sogar Corona-Subtypen zu unterscheiden?

Für Menschen mit einem hohen Risiko, extrem schwer an Covid-19 zu erkranken oder gar daran zu sterben, kann der Erfolg der Behandlung davon abhängen, den Subtypen zu kennen. Das betrifft „Patienten und Patientinnen, die eine antivirale Therapie mit einem monoklonalen Antikörper bekommen sollen“, erklärt Ciesek. Und zwar Sotrovimab. Dieses Medikament ist neu zuglassen und es ist wirksam gegen den Subtyp BA.1. „Este Forschungsdaten weisen jedoch darauf hin, dass dieses Mittel gegen BA.2. nicht mehr so gut wirkt“, berichtet Ciesek im Podcast. Sie schränkt ein: Die Daten seien noch nicht endgültig wissenschaftlich begutachtet, sondern erst im Preprint-Stadium. Doch das Beispiel zeigt, wie wichtig die Forschung parallel zur Pandemie auch für den Alltag ist. „Für Ärztinnen und Ärzte ist es wichtig zu wissen, welchen Virus-Subtyp Erkrankte haben. Bei BA.2. würden sie einen anderen monoklonalen Antikörper wählen.“

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